Josef Kentenich, der Gründer der Schönstattbewegung war von März 1942 bis April 1945 im Konzentrationslager in Dachau interniert. Eine schreckliche Zeit. Jeder lebte in Angst. Jeden Tag starben Mithäftlinge oder wurden brutal zusammengeschlagen. Das Krematorium zur Verbrennung der Toten war ständig in Betrieb.
Als der Hunger sehr groß war, beschloss die Lagerleitung, dass die Häftlinge Essenspakete empfangen durften. Josef Kentenich hat daraufhin viele Pakete bekommen, die er mit seinen Kameraden teilte. So entstand im Priesterblock des KZ eine kleine Essens-Gemeinschaft. Alle Pakete wurden zusammen gelegt und es wurde jemand bestimmt, der jeden Tag daraus eine Mahlzeit für die Gruppe zusammen stellte.
Josef Kentenich hatte auch in Dachau nicht aufgehört an seiner Bewegung zu arbeiten. Er hielt immer wieder Vorträge für die mitgefangenen Priester, konnte zahlreiche Priester und Laien für seine Schönstattbewegung gewinnen und war ständig als Apostel tätig. Man könnte also annehmen
, dass er auch eine Essens-Gemeinschaft für seine Schulungstätigkeit genutzt hätte. Dem war aber nicht so.
Pater Fischer, der gemeinsam mit Pater Kentenich in Dachau war, wurde bei einem Gespräch über die Zeit im KZ die Frage gestellt: „Was haben Sie denn gemacht, als Sie da zusammen gesessen sind jeden Tag und miteinander gegessen haben?“ Pater Fischer antwortete darauf nach kurzem Nachdenken und mit schelmischem Lächeln: „Blödsinn gemacht.“ Was er meinte, war klar: Wir haben geblödelt, gelacht, Witze gemacht, haben einander auf den Arm genommen.
Der Gründer einer großen Erneuerungsbewegung hat im Konzentrationslager beim gemeinsamen Mittagessen geblödelt. Die Tischgemeinschaft war für ihn trotz allen Horrors rundherum eine besondere Sache. Da wurde nicht gejammert , obwohl der Hunger groß war – auch noch nach dem Essen. Da wurden auch keine hochgeistigen Worte gesprochen, es wurde nicht gelehrt und nicht belehrt, es wurde Blödsinn gemacht.
Wie war das möglich?
„Gott war stärker. Es gab ein Licht im Herzen des großen Gottesmannes. Und dieses Licht war Gott. Und wer dieses Licht in sich trägt, der ist heiter.“ (P. Tilmann Beller)
Die Geschichte mit Pater Kentenich erinnert mich an meine Kindheit und Jugend. Da durfte ich beim sonntäglichen Mittagstisch eine ähnliche, aber natürlich angstfreie Erfahrung machen: Bei uns wurde geblödelt. Mein Vater war ein Meister darin. Beim Mittagstisch wurden keine Probleme besprochen, es wurde nicht geraunzt (obwohl ich ein Wiener bin!) und wir Kinder wurden nicht belehrt. Das hat gut getan und die Tradition hat sich auch in meiner Familie fortgesetzt. Einmal „musste“ ich doch Sonntag mittags etwas zu einer meiner Töchter sagen, weil sie in der Nacht davor deutlich zu spät nach Hause gekommen war. Daraufhin bekam ich zur Antwort: „Das ist unfair. Beim Mittagessen muss ich mir das nicht anhören!“
Und schon wurde wieder gelacht. Die Essens-Gemeinschaft als Kraftquelle.
Vielen Dank für diesen Text. Leider lassen wir viel zu viel Dinge in unsere Familien die eigentlich draußen bleiben sollten. Lgmanuela