Die Fülle des Lebens

Im heutigen Sonntagsevangelium hören wir die Stelle, wo Jesus sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ Mit „sie“ sind wir Menschen gemeint, also du und ich und alle anderen. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie sieht das Leben in Fülle aus?

In der Zeitung lese ich einen Artikel über Jeff Bezos, den Gründer von Amazon. Sein Vermögen wird auf 138 Milliarden Dollar geschätzt. Er ist der bei weitem reichste Mann der Welt. Ist das die Fülle des Lebens? Ich hoffe nicht, denn dann komme ich nie in den Genuss dieser Fülle. Eigentlich möchte ich auch gar nicht tauschen mit ihm.

Während ich das schreibe, kommt irgendwo im Südsudan ein Kind auf die Welt. Südsudan ist das ärmste Land der Welt. Wird das Kind, das gerade dort geboren wird, jemals die Fülle des Lebens auskosten können? Mit den Menschen aus Südsudan möchte ich auch nicht tauschen, dann schon lieber mit Jeff Bezos.

Dieser Vergleich ist nicht zynisch gemeint, er soll nur den gewaltigen Unterschied zum Ausdruck bringen, wie ein Menschenleben auf dieser Erde aussehen kann. Die Fülle des Lebens, von der Jesus spricht, und die es für jeden Menschen geben soll, muss folglich auf etwas hinweisen, was wir im irdischen Leben nicht voll erreichen können – Jeff Bezos nicht und das Kind in der größtmöglichen Armut schon gar nicht. Diese Fülle des Lebens wird es im Himmel geben, aber dann wirklich für alle.

An dieser Stelle wäre es durchaus angebracht über soziale Gerechtigkeit zu diskutieren. Außerdem ist das Leben in Fülle sicher nicht in Dollar zu messen. Deshalb möchte ich lieber hier ein Zitat von Josef Kentenich, dem Gründer der Schönstattbewegung bringen: „Jeder Mensch ist ein Lieblingskind Gottes!“

Sich mit den Reichsten und den Ärmsten dieser Welt zu vergleichen, macht eher traurig bis depressiv. Sich selbst als Lieblingskind Gottes zu sehen, das baut auf, das ist eine Kraftquelle, das lässt einen dankbar sein. Gott hat mich so reich beschenkt. Ich brauche nicht neidisch sein auf diejenigen, die mehr haben und ich habe die Möglichkeit, denen zu helfen, die weniger haben.

Damit habe ich bereits ein großes Stück von der Fülle des Lebens – und wenn ich damit verantwortungsvoll und dankbar umgehe, dann wartet noch mehr.

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