Die moderne Hölle: Corona und kein Internet

Ich telefoniere gerade mit einer Freundin. Auf einmal höre ich im Hintergrund einen Lärm. Es klingt, wie wenn eine Horde Hooligans die Niederlage ihrer Mannschaft beweinen und beschreien. „Was ist denn passiert“, frage ich, „wird euer Haus gerade gestürmt?“. Und ich mache mir schon ernsthaft Sorgen, überlege gerade, wie ich neben dem Telefonat auf meinem Handy den Polizeinotruf erreichen kann. Aber da kommt schon die Entwarnung, wobei es eigentlich keine Entwarnung ist, sondern eine furchtbare Nachricht, die mir sofort einen kalten Schauer den Rücken hinunter laufen lässt: „Mein Mann und die Kinder haben gerade festgestellt: Das Internet geht nicht!“

Das Internet geht nicht? Ich lege das Telefon weg, laufe panisch zu meinem Modem. Gott sei Dank, alle Lichter sind weiß. Ich stürze zum Computer, öffne den Browser: Hurra, Google meldet sich – bei mir funktioniert es noch! Zurück beim Telefon rufe ich außer Atem: „Bei mir geht’s!“. Darauf die Freundin: „Bei uns geht es auch wieder“. Und ich spüre körperlich durchs Telefon die Erschütterung, die durch den Stein ausgelöst wurde, der ihr vom Herzen gefallen ist. Erleichtert telefonieren wir weiter, reden über dies und das, und dass sie mir gleich einen lustigen Text über WhatsApp weiterschicken muss.

Aber das schaurige Erlebnis wirkt nach bei mir. Das Internet geht nicht. Und das in Zeiten all dieser Corona Einschränkungen. Das kann Gott nicht ernst meinen. Das wäre der Super-Gau.

Geht ja eh das Internet, versuche ich mich zu beruhigen: Aber der Gedankenkreisel – einmal in Gang gesetzt – dreht sich weiter in meinem Kopf und ich beginne mit Gott zu hadern:

Was habe ich nicht alles ausgehalten bis jetzt!

Im Supermarkt habe ich vollkommen (zumindest äußerlich) ruhig in der Schlange bei der Kassa gewartet, obwohl vor mir Personen standen mit Wagerln voll Klopapiertürmen, die nur deswegen nicht höher als der Lagerhausturm waren, weil die Supermarktdecke im Weg war.

Ich habe aufgehört nach 18 Uhr mit meiner Frau zu reden, damit ja kein abendlicher Ermüdungs-Streit in Quarantänezeiten aufkommen kann. (Ok, zugegeben, das war nicht so schwer für mich.)

Ich bin jeden Tag mindestens 1 Stunde spazieren gegangen um fit zu bleiben. Jetzt habe ich schon meine benötigten Schritte bis zum 21. August 2021 erledigt.

Zu Ostern habe ich mir selber Ostereier versteckt. Enkelkinder durften ja keine kommen. Die Enkerl hätten sicher alle versteckten Eier gefunden. Ich habe das Suchen nach den 3 Eiern, die mir noch fehlen, jetzt aufgegeben. Na ja, eventuell freut sich ja ein Marder.

Ich habe gelebt wie ein Asket: 4 Wochen ohne Heurigenbesuch.

All das halte ich aus, wenn es sein muss noch einmal 4 Wochen. Aber bitte: nur wenn das Internet funktioniert. Wenn es sein muss, rede ich schon ab 16 Uhr nicht mehr mit meiner Frau.

Wie soll ich nur das Leben aushalten, wenn ich keine lustigen, halb-lustigen oder dummen Bilder und Sprüche mehr über Facebook, Instagram oder WhatsApp erhalten und verteilen kann. Hunderte Spam-Mails sind mir lieber als gar kein Mail. Ein Tag ohne YouTube ist ein verlorener Tag. Wie soll ich abends einschlafen ohne Streamen von mindestens 2 Folgen meiner Lieblingsserie?

Corona und kein Internet: das ist die moderne Hölle!

Nachdem das Gedankenkreisel zum Stillstand gekommen ist und ich wieder dem Kleinhirn die Steuerung entreißen kann, gehe ich zu meiner Frau: „Du, wir könnten heute am Abend ein Paargespräch machen. Was meinst du?“
„Nach 18 Uhr?“
„Ja, warum nicht, statt dem Fernsehen.“
„Ok, ich bin dabei! Aber muss ich mir eh keine Sorgen machen um dich?“

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