Ich weiß schon: In Wien und Umgebung haben die Menschen das Raunzer-Gen, daher gehört Raunzen auch zum guten Ton. Und ein bisschen Raunzen ist ja durchaus befreiend, lockert die Seele auf, weil was raus will muss raus und bei manchen Dingen ist einfach klar: „Das musste schon einmal gesagt werden!“
Aber Vorsicht, wie bei anderen Erbaulichkeiten auch: bei Überdosierung droht Gefahr. So müsste im Beipackzettel zu einer therapeutisch verordneten Raunzer-Partie (man beachte hier den Unterschied zwischen wienerischer Partie und einer Party!) folgendes stehen: Dosierung maximal 2×5 Minuten täglich, auf keinen Fall zu kurz vor dem Schlafen gehen durchführen und nicht bei stark erhöhtem Ärger anwenden.
In dem Zusammenhang hat mir gefallen, was Franz Hollauf gestern in der Online Krone unter dem Titel „Ärgern und Jammern kosten nur wertvolle Energie“ geschrieben hat:
Ich empfinde die gegenwärtigen Ausgangsbeschränklungen als richtig und auch als Chance. Als Chance der inneren Seelen-Reinigung. Man muss nicht auf fünf Kirchtagen gleichzeitig tanzen, man kann auch für einige Wochen oder Monate in den Standby-Modus zurückschalten. Früher hätte ich mir zum Beispiel nie ein Wochenende ohne TV-Sportübertragungen vorstellen können. Mittlerweile vermisse ich sie nicht einmal mehr. Qualität durch Verzicht. Oder wie es Oliver Kahn, eines meiner großen Sportidole aus der Kindheit, erst kürzlich bezeichnet hat: „Die aktuelle Situation könnte auch eine Umkehr von einer chronischen Überhitzung zu mehr Maß bedeuten.“
Da sieht man: ein wenig Raunzen – und das hat Herr Hollauf sicher getan anfangs, wie im bewusst wurde, dass „ein Wochenende ohne TV-Sportübertragungen“ droht – braucht es, aber dann lohnt es sich auf die Chancen zu blicken.
Ärgern, Jammern und Raunzen in kleinen Dosen ist reinigend, im Übermaß sind das Krafträuber. Und unsere Kräfte brauchen wir noch in Zeiten wie diesen.
Also: Raunzt’s a bisserl, aber bleibt’s gsund – auch geistig und seelisch.