Mir ist so fad!

„Mir ist soooo fad!“ Das bekommen jetzt viele Eltern zu hören von ihren Kindern. Und da und dort kann man schon genervte Mamas und Papas beobachten, die sich (manchmal verzweifelt) bemühen ihre Kinder den ganzen Tag über bei Laune zu halten. Aber: Ist das wirklich notwendig, die Kinder ständig zu unterhalten, nur damit ihnen ja nicht fad ist?

Eine Beobachtung heute im Nachbargarten. Die kleine Rudolfine (Name geändert) – sie ist 6 Jahre alt -, steht vor dem Bretterzaun zum Nachbarn. Es ist so ein Zaun, bei dem man nicht durchschauen kann und er ist ca. 1,80m hoch, also fast doppelt so hoch wie Rudolfine. Während ich mir überlege, was Rudolfine dort macht, kommt ein Ball über den Zaun geflogen. Rudolfine versucht ihn zu fangen, das gelingt nicht, daher klaubt sie den Ball auf und wirft ihn wieder über den Zaun. Und der Ball kommt nach ein paar Sekunden wieder zurück. Und so geht das hin un her. Ein Ballspiel über einen Bretterzaun, bei dem sich die Spieler nicht sehen können.

Wieso schafft es Rudolfine so kreativ mit dem Nachbarssohn (das war der auf der anderen Seite des Zauns) zu spielen? Ich behaupte: Weil ihr fad war (keine Mama und kein Papa in der Nähe). Fad sein macht kreativ. Und auch umgekehrt: Wem nicht fad ist, der kann nicht kreativ werden – ihm fehlt ja die Zeit dazu. Das gilt nicht nur für unsere Kleinen, sondern auch für die Erwachsenen. Wir nehmen ja derzeit überall wahr, dass die erzwungene Entschleunigung – das verordnete Fad-Sein dazu führt, dass die Menschen kreativ werden.

In der Kentenich-Pädagogik finden wir auch die Begründung dafür. Die ersten beiden Wachstumsgesetze nach Kentenich lauten: Wachstum geht langsam und Wachstum kommt von innen. Was sagt uns das? Wenn Wachstum langsam vor sich geht, dann heißt das: Wachstum braucht Zeit. Fad sein verschafft Zeit für das Wachstum. Und dass Wachstum immer von innen kommt (von außen kann nichts angepickt werden, das nachhaltig ist) sagt uns: Wenn das Kind nicht von außen bespielt wird, dann hat es die Möglichkeit von innen her zu wachsen. Auch wenn das zunächst ein wenig schmerzlich sein kann. Für ein Kind ist es ja unangenehm, wenn ihm fad ist. Und Mama und Papa sind auch nicht erfreut zu hören „Mir ist sooo fad“. Nur: langsam beginnt dann das Wachstum von innen. Das Kind wird kreativ.

Es gibt auch genug Erwachsene, die es nicht aushalten, wenn ihnen fad ist. Vielleicht durfte ihnen ja schon als Kind nicht fad sein. Fad-Sein ist eine Kraftquelle. Wer den Schmerz ein wenig aushält, der wird entdecken, dass er nachher kreativ wird.

Freuen wir uns, wenn unseren Kindern fad ist und genießen wir dann das Ergebnis. So wie ich mich gefreut habe über die kleine Rudolfine.

Danke Rudolfine!

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